Sorry, this entry is only available in German. For the sake of viewer convenience, the content is shown below in the alternative language. You may click the link to switch the active language.
In den zurückliegenden Jahren sind wir mit unseren Semestern immer wieder ins Theater. Dieses jahr fangen wir fürh damit an und gehen heute in die Volksbühne, wo Herbert Fritsch das Stück “Apokalypse” inszeniert. Das wird sicher wieder bildnerisch höchst interessant und ein super Spass dazu.
Apokalypse
nach der Offenbarung des Johannes*
Der Weltuntergang ist seit mindestens 3000 Jahren normal. Es hat ihn immer und zu allen Zeiten unserer Geschichte gegeben – als Vorstellung. Und er stand immer kurz bevor.
Der Weltuntergang scheint zur Grundausstattung unserer Spezies zu gehören. Es gibt keine Epoche der Menschheit, wo er nicht befürchtet wurde. Er ist aber allen Prophezeiungen zum Trotz noch nie eingetreten. Das lässt hoffen.
Die letzte kanonisierte Prophezeiung des Weltuntergangs findet sich am Ende des Neuen Testaments. Der Schlusspunkt der neuen auf Liebe gegründeten Religion ist das Gegenteil von Liebe. „Die zweite Hälfte der Apokalypse ist flammender Haß und Gier – Gier ist das einzig passende Wort – nach dem Ende der Welt“ schrieb D. H. Lawrence 1923 in seinem letzten, posthum veröffentlichten Werk, in dem er sich von der Offenbarung des Johannes so fasziniert wie abgestoßen fühlt. Für ihn ist die Apokalypse die unvermeidliche Kehrseite der christlichen Liebesreligion: „Man liebt seinen Nächsten. Sofort läuft man Gefahr, von ihm ‚verschlungen‘ zu werden, man muss sich zurückziehen. Seine Eigenheit retten. Die Liebe wird Widerstand. Am Ende ist es weiter nichts als Widerstand und keine Liebe; und das ist die Geschichte der Demokratie.“ Mit dieser Volte landete Lawrence mitten in der Gegenwart der Marktwirtschaft, deren anerkannte Triebfedern Individualegoismus, Konkurrenzkampf und Neid sind. Für ihn entsteht der Geist der Apokalypse aus dem Ressentiment der Zukurzgekommenen, die sich das Paradies nur mit einem Fenster vorstellen können, durch das die „Guten“ die die ewigen Qualen der endlich geschlagenen „Bösen“ im Schwefelpfuhl der Hölle betrachten können.
Das ist die eine Seite der Apokalypse, die sich bei politischen und religiösen Fundamentalisten, aber auch bei künstlerischen Avantgarden großer Beliebtheit erfreut. Das Armageddon, der Endkampf zwischen Gut und Böse, ist bei diversen amerikanischen Präsidenten genauso präsent, wie im Opferkult von Selbstmordattentätern und ihren Hinterleuten. Und auch Künstler sehen bisweilen im totalen Weltuntergang die einzige Perspektive für einen radikalen Neuanfang.
Es gibt aber noch eine eher gewöhnliche Seite der Apokalypse, die keinem erspart bleibt und die vielleicht der Grund ist, warum wir von dieser Obsession nicht wegkommen. Das ist der eigene persönliche Weltuntergang, den jeder Lebende absehbar noch vor sich hat. Heiner Müller hat ihn in einem späten „Bonmot“ so charakterisiert: „Wenn alle sterben und ich als einziger am Leben bleibe, handelt es sich um einen Kollateralschaden, wenn ich sterbe und alle anderen leben weiter, ist es ein Totalschaden.“
Eine Koproduktion der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen
Spieldauer: 1 Stunde 40 Minuten
Mit: Wolfram Koch, Elisabeth Zumpe und Ingo Günther
Regie: Herbert Fritsch
Bühne: Herbert Fritsch
Kostüme: Victoria Behr
Licht: Torsten König
Musik: Ingo Günther
Ton: Jörg Wilkendorf, Hans-Georg Teubert